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Ida Altmann-Bronn (1862–1935)

Ida Altmann-Bronn gehört zweifellos zu jenen Persönlichkeiten, die neben Bruno Wille (1860–1928) oder Adolph Hoffmann (1858–1930) die Geschichte der Freireligiösen Gemeinde zu Berlin am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts maßgeblich geprägt haben. Sie wurde am 30. Juni 1862 als Tochter eines wohlhabenden Landwirts im ostpreußischen Obscherninken in der Nähe von Elbing geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie bis zum zwölften Lebensjahr in ihrem Geburtsort, ohne eine Schule oder sonstigen Unterricht zu besuchen. Sie konnte bereits im Alter von fünf Jahren lesen und verschlang alles, was ihr an Gedrucktem im Dorf begegnete, darunter auch die Schulbücher ihres älteren Bruders. In den folgenden sieben Jahren, zwischen 1874 und 1881, besuchte sie die „Höhere Töchterschule” in Elbing und das Lehrerinnen-Seminar in Königsberg. Hier legte sie, inzwischen 19-jährig, im September 1881 ihr Examen als Lehrerin ab. In St. Petersburger machte sie 1889 erstmals Bekanntschaft mit der Lehre von Ernst Haeckel (1834–1919).

Im Sommer 1890 nahm Ida Altmann ihren Wohnsitz in Berlin. Erste Aktivitäten innerhalb der Berliner Freireligiösen lassen sich auf das Jahr 1892 datieren. Sie engagierte sich vor allem in der freireligiösen Bildungsarbeit, insbesondere im Jugendunterricht. Dort gehörte sie neben Bruno Wille und Waldeck Manasse (1864–1923) zu den aktivsten Referenten im Rahmen der sonntäglichen Vortrage der Gemeinde. Der damalige liberale preußische Kultusministers Moritz August von Bethmann-Hollweg (1795–1877) berichtet am 28. Februar 1859 vor dem Abgeordnetenhaus in Berlin: „Zwei Rechte nehmen die Dissidentengemeinden in Anspruch, erstens den religiösen Unterricht durch ihre Vorsteher, Redner etc. zu erteilen, und zweitens ihre Kinder fernhalten zu dürfen von dem religiösen Unterricht in den öffentlichen Schulen. ...“ Im Winterhalbjahr 1892/93 begannen die ersten staatlichen Maßnahmen gegen den Unterricht der Gemeinden. Bald darauf war auch Ida Altmann-Bronn, obwohl sie eine staatliche Anerkennung als Lehrerin mit Lehrbefugnis besaß, davon betroffen. Im Dezember 1895 verbüßte sie eine zehntägige Haftstrafe im Berliner Polizeigefängnis.

Trotz dieser staatlichen Repressionsmaßnahmen wollte die Gemeinde nicht auf die weltanschauliche Erziehung ihrer Kinder verzichten und entwickelte neue Vortrags- und Unterrichtsformen. Zunächst wurden für alle Gemeindemitglieder offene Sonntagsvorlesungen als Ersatz für den Jugendunterricht eingerichtet. Ida Altmann-Bronn wandte sich in den 1895 von ihr verfassten „Leitsätzen für die Kinder von Freidenkern und Freireligiösen“ direkt an die Jugendlichen. In den Anmerkungen für Erwachsene hieß es: „Diese Sätze wollen unsere Kinder anleiten zum rechten Tun, zum vernunftgemäßen Leben, welches ohne vernünftiges Denken und gesundes Fühlen nicht möglich ist.“. Wegen ihres weiteren Engagements für die Freireligiöse Gemeinde wurde Ida Altmann-Bronn Anfang 1897 durch das Provinzial-Schulkollegium der Unterrichts-Erlaubnisschein entzogen.

Ida Altmann-Bronn wirkte von 1900 bis 1912 als Sekretärin und Schriftführerin für Deutschland im Internationalen Freidenkerbund. Vom 16. bis zum 19. September 1900 nahm sie am internationalen Freidenker-Kongress in Paris teil und hielt dort eine Rede zur Überwindung des Chauvinismus. Weil sie die einzige deutsche Delegierte war, wandte sie sich persönlich an Ernst Haeckel, um ihn zu bitten, 1904 in Rom „dabei zu sein – aus Vaterlandsliebe”. Haeckel kam dieser Bitte nach. Anlässlich des Pariser Kongresses 1905 bat sie Haeckel erneut um seine Unterstützung. Sie drückte gegenüber Haeckel die Hoffnung aus, dass es vielleicht gelingen könnte, in Paris die Gründung eines internationalen Monistenbundes in die Wege zu leiten. 1912 heiratete Ida Altmann Jegor Bronn, einen aus dem Baltikum stammenden Chemieingenieur. In der Zeit von 1891 bis 1908 arbeitete Ida Altmann-Bronn in den freien Gewerkschaften Deutschlands und ab 1896 beteiligte sie sich immer intensiver an der Entwicklung der sozialdemokratischen Frauenbewegung.

Sie arbeitete sehr eng mit Emma Ihrer (1857–1911) und Clara Zetkin (1857–1933) zusammen. Seit dem Jahr 1902 war sie als Übersetzerin für den Vorsitzenden der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, Carl Legien (1861–1920) tätig. Dieser war damals gleichzeitig Sekretär des Internationalen Gewerkschaftsbundes. 1904 gründete Ida Altmann-Bronn ein gewerkschaftliches Frauen-Agitationskomitee. Dieses Komitee war der Vorläufer des am 1. Oktober 1905 gebildeten Arbeiterinnen-Sekretariats bei der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, dessen erste Leiterin Ida Altmann-Bronn wurde. Ida Altmann-Bronn schrieb Gedichte, Novellen, Erzählungen und Märchen, die in sozialdemokratischen und liberalen Zeitungen bzw. als selbständige Veröffentlichungen – zumeist im Verlag von Adolph Hoffmann – erschienen. Dabei sind insbesondere ihre Märchen hervorzuheben, in denen einfühlsam und mit pädagogischem Geschick freigeistige Gedanken vermittelt werden. 1928 erschien ihre letzte größere literarische Arbeit „Vorfrühling. Erzählung aus dem vorrevolutionären Russland”. Ida Altmann-Bronn starb am 30. November 1935.
Sie wurde auf dem Friedhof der Freireligiösen Gemeinde Berlin in einem anonymen Urnengrab beigesetzt.
nach einem Text von Dr. Wolfgang Heyn